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Brasilien - Der unbekannte Süden

 

Von Sao Paulo Richtung Süden bis Porto Alegre und an der Küste zurück nach Rio de Janeiro

Montag, 29.10.2018

Brasilien hat uns wieder! Diesmal starten wir unsere Reise in Sao Paulo. Auf der Fahrt mit unserem Mietauto vom Flughafen in die Innenstadt sind wir positiv überrascht. Auch auf den teilweise 6 Spuren fahren alle gesittet.
Wir treffen uns mit Cintia, die hier lebt und uns ihre Stadt näherbringen möchte, denn eigentlich wollten wir diese Millionenmetropole, die in unserer Vorstellung und Erinnerung von einem früheren Kurzaufenthalt nur aus Wolkenkratzern besteht, schnell wieder erlassen. Dabei sind die Hochhäuser bei weitem nicht so hoch wie in Manhattan.
Die Metro bringt uns als erstes zum Praca do Se mit der imposanten Kathedrale. Von der Aussichtsplattform des Edificios do Banespa bekommen wir einen ersten Rundblick über diese riesige Stadt. Dieses Hochhaus der Banco do Estado do Sao Paulo beherbergt außerdem ein kleines Museum der Bank. Nur ein paar Schritte weiter befindet sich das Kloster Mosteiro de Sao Bento. Vor dem Kloster sind zahlreiche Straßenverkäufer und viele sozusagen Wahlhelfer, entweder mit Plakaten in der Hand oder mit T-Shirts, die Unschlüssige bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Denn am Sonntag findet die Stichwahl für das Präsidentschaftsamt zwischen Bolsonaro und Haddad statt. Für alle Brasilianer besteht eine Wahlpflicht. Wer nicht wählt, muss eine Strafe zahlen. Die Strafe ist zwar sehr gering, nur 4 R$, also noch nicht einmal ein Euro, allerdings ist der Aufwand des Bezahlvorgangs sehr groß. Wer die Strafe nicht bezahlt, kann z. B. keinen Reisepass beantragen.
Wir gehen weiter zum Mercado Municipal, der großen Markthalle, in der sich hauptsächlich Obst-, Fleisch- und Fischstände befinden. Die Auswahl an Obst ist riesig und an allen Ständen werden wir animiert, etwas zu probieren.
Das Edificio Italia als zweithöchstes Gebäude der Stadt lockt uns mit seiner Aussichtsterrasse in 170 m Höhe, wo sich außerdem ein Restaurant und eine Bar befinden. Der Ausblick von hier oben ist noch spektakulärer. Zum Abschluss unseres Rundgangs besuchen wir noch den Stadtpark Parque do Ibiraquera. Die Bedeutung dieses Parks ist vergleichbar mit der des Central Parks in New York. Insgesamt sind wir positiv überrascht, dass Sao Paulo doch nicht nur aus Hochhäusern besteht und viel Grün aufzuweisen hat.
Bevor wir am Sonntag weiterfahren, begleiten wir Cintia noch ins Wahllokal, das auch hier in einer Schule untergebracht ist. Allerdings bekommt man nicht wie bei uns einen Zettel in die Hand gedrückt, sondern die Wahl findet elektronisch statt. Die Identifikation findet per App auf dem Telefon statt. In der Wahlkabine steht ein einfacher Computer, auf dem beide Kandidaten erscheinen. Hier muss man sich entscheiden, wem man seine Stimme gibt oder ob keiner von beiden ausgewählt wird.
Wir verabschieden uns von Sao Paulo, da wir heute noch bis Ponta Grossa fahren wollen. Wir kommen flott voran, da es fast die ganze Strecke über 2spurige Bundesstraßen geht, die allerdings auch Gebühren kosten. Wir kommen an sehr vielen Eukalyptuswäldern vorbei, die für die Holzindustrie genutzt werden.
Am Abend in Ponta Grossa wird der Sieg von Bolsonaro mit Autocorsos und Brasilienfahnen gefeiert.
Unser Ziel ist hier der Parque Estadual de Vila Velha. Diese markanten Felsformationen erinnern teilweise an alte Häuser, weshalb sie Vila Velha genannt wurden.

Mittwoch, 31.10.2018
Eigentlich ist der Park heute geschlossen. Aber mit einem Guide gibt es die Möglichkeit, trotzdem die auf einem Plateau im Parque Vila Velha thronenden Felsformationen zu besichtigen, die sich in Jahrtausenden durch Wind und Regen gebildet haben. Der Spazierweg am Fuße der Felsen gibt uns immer wieder neue Ausblicke. Am imposantesten ist der freistehende Felsen, der sich nach unten immer mehr verjüngt. In der Nähe sind außerdem zwei tiefe Krater, die ebenfalls durch Erosion entstanden sind. Wir sind insgesamt so fasziniert, dass wir erst nach drei Stunden unsere Fahrt fortsetzen. Trotzdem fahren wir noch 400 km weiter bis zum Ort Lages, den wir nur als Zwischenstation nutzen. Die Straßen sind gut, allerdings kommen wir nicht schneller als 60 km pro Stunde voran.

Bis zum Weinbaugebiet in Bento Gonsalves ist es nur noch eine kurze Etappe. Unser Hotel liegt direkt in den Weinbergen. Bei der Auffahrt mit den Zypressen könnte man meinen, man ist in Italien. Die Weingüter sind überwiegend von italienischen Emigranten gegründet. Das nächste Weingut Miolo liegt direkt gegenüber, das wir gleich besichtigen. Eine exklusive Führung nur für uns bringt uns zu den riesigen Weintanks, wo wir direkt probieren dürfen. Im Weinkeller dürfen wir dann auch den Lote 43 verkosten, der bei Staatsempfängen serviert wird.
Die ältesten Weinstöcke hat das Weingut Casa Valduga. Dieser Familienbesitz wird in der dritten Generation geführt und ist der größte Schaumwein-Produzent Lateinamerikas.

Samstag, 03.11.2018
Auf unserem Weg nach Gramado kommen wir an dem kleinen Ort Nova Petropolis vorbei. Hier erinnert noch viel an die deutschen Einwanderer, insbesondere bei der Architektur und in der Gastronomie. Zurzeit ist gerade ein kleines Oktoberfest. Aber immer noch besser als in Gramado, wo schon alles weihnachtlich dekoriert ist. Überall Weihnachtsmänner und -bäume sowie Sterne und in der Fußgängerzone singt ein Chor Weihnachtslieder. Das alles ist abends illuminiert. Aber deswegen sind wir nicht hier, sondern wir wollen zum Caracol Wasserfall, der über Basaltfelsen im freien Fall 131 Meter in die Tiefe fällt.

Ganz in der Nähe besuchen wir das Museum Castelinho, wo wir die Lebensweise deutscher Einwanderer erkennen können. Vor ca. 100 Jahren hat Pedro Carlos Franzen eins der ersten Häuser in Canelo gebaut.

Montag, 05.11.2018
Nach der schönen bergigen Landschaft kommen wir nun in die Ebene und nach Porto Alegre. Porto Alegre wurde von portugiesischen Einwanderern der Azoren gegründet. Im 19. Jahrhundert kamen viele Deutsche, Polen und Italiener in die Stadt und ließen sich dort nieder. Deshalb gibt es neben den vielen Hochhäusern auch ein historisches Zentrum. Am ehemaligen Gaswerk mit seinem 117 m hohen Schornstein, der Usina do Gasômetro am Ufer des Rio Guaiba wundern wir uns über die vielen Menschen, die den Sonnenuntergang beobachten. Allerdings denken wir, zum Freitagabend ist das normal. Erst später erfahren wir, dass Feiertag ist und viele das lange Wochenende nutzen.

Der Mercado Público besteht bereits seit fast 150 Jahren und ist jedoch schon mehrmals abgebrannt. Heute bietet er ein umfassendes Warenangebot von frischem Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch und Kunsthandwerk sowie einige Restaurants.
Gleich neben der Markthalle befindet sich das Rathaus. Am Praca da Alfandiga findet gerade die Buchmesse statt, es sind überall Stände aufgebaut, so dass der Platz gar nicht richtig zur Geltung kommt. Wir gehen noch zur Kathedrale Catedral Metropolitana, die nach dem Vorbild italienischer Renaissancebauten errichtet ist. An der Fassade befinden sich drei farbenfreudig gestaltete Mosaikgemälde, die in den Werkstätten des Vatikans hergestellt wurden. Gegenüber auf der anderen Seite des Praca da Matriz befindet sich das Theatro Sao Pedro.

Freitag, 09.11.2018
Wir verlassen Porto Alegre Richtung Küste. In Torres lockt uns als erstes der Felsen Morro da Guarita am Strand Praia da Guarita und der Morro do Farol. Von unserer kleinen Pension Pousada Ilhas do Praia haben wir direkten Blick auf die Dünen und zum Strand.

Am nächsten Morgen fahren wir zeitig los, schließlich wollen wir auf dem Weg zur Fazenda noch ins Cânion Itaimbezinho im Nationalpark Aparados da Serra. Solange es noch eben ist, kommen wir an Reisfeldern vorbei, im Hintergrund schon die Berge. Und in den Bergen fängt irgendwann die Erd-/Schotterstraße an. Der Blick zum Cânion ist grandios.
Auf der Fazenda Costão do Cambará gibt es 6 kleine und 2 große Chalets. Vor unserem Chalet liegt ein See und am Hang das Restaurant. Carlos, der 16jährige Neffe des Hauses, begleitet uns bei unserem ersten Ausritt. Es ist ein interessanter Ritt durch kleine Flussläufe hindurch, über Steppe und Berge. Und dann sind wir plötzlich am Wasserfall Cachoeira Nassucar. Wir sind oberhalb der Fälle, die hier in vielen kleinen Kaskaden hinunterstürzen.

Im ehemaligen Stall wird das Churrasco serviert, d. h. über offenem Feuer werden große Fleischspieße mit Rindfleisch zubereitet. Und hier trinken wir vorweg unseren ersten Chimarrão. Chimarrão ist ein hauptsächlich von den Gauchos im Süden Brasiliens getrunkener Mate-Tee. Die fein gemahlenen Bätter des Mate-Strauches werden in eine Kalebasse gefüllt. Der Tee wird durch einen Metall-Trinkhalm getrunken, der Bombilla genannt wird. Unser zweiter Ausritt führt uns zum Canion Pinheirinho.

Wir wollen noch zu unserer zweiten Fazenda Rincão da Pahla fahren. Bis dorthin sind es zwar nur 140 km, allerdings überwiegend auf Schotterstraßen, wo wir nicht schneller als 35 km pro Stunde vorankommen. Auf der Fazenda kommt die Milch in unseren Kaffeebecher direkt aus dem Euter. Der Kaffee sieht tatsächlich aufgeschäumt aus wie ein Cappuccino. Es kostet uns trotzdem ein wenig Überwindung. Aber das Geschmackserlebnis ist da. Dann stehen die Pferde für uns bereit. Leider ist es sehr bewölkt, aber wir reiten mit Adriano trotzdem los. Es macht schon wieder Spaß. Der Weg zum Canion do Laranjeiras ist 6 km lang, über Hügel, an der Apfelplantage vorbei, durch Wälder. An der Abrißkante geht es fast 90 ° in die Tiefe. Gegenüber mal wieder ein Wasserfall, der keinen Namen hat. Auf dem Rückweg fängt es an zu regnen, so dass wir ziemlich nass wieder an der Fazenda ankommen. Auf der Fazenda gibt es 40 Pferde, diverse Schafe, viele Kühe mit ihren Kälbchen. Abends werden die Tiere in den Stall getrieben, weil hier Pumas auf Beutezug gehen. Der Abschied fällt uns schwer. João, Leila und der Sohn Benito haben uns so herzlich aufgenommen, dass wir bestimmt einmal wieder herkommen möchten.

Auf unserer Weiterfahrt hoffen wir immer, dass es ein wenig aufreißt, damit wir am Aussichtspunkt eine gute Sicht haben. Wir warten eine Stunde und fahren dann trotzdem die Serpentinenstraße runter, die Wolken hängen immer noch sehr tief. Erst weiter unten kommen wir unter die Wolkendecke, dafür fängt es wieder an zu regnen. Im Laguna kommen wir ans Meer. Auf der BR 101 fahren wir weiter Richtung Florianopolis und zu unserem Quartier auf der Ilha do Florianopolis am Strand Campeche.

Mittwoch, 14.11.2018

Ein Tag am Strand und ein wenig Erholung. Doch wir wollen trotzdem die Insel erkunden und erleben die steilste Straße auf unserer ganzen Reise. Und das auch noch als Schotterpiste. Unser Ecosport hat ganz schön zu kämpfen, jetzt bloß nicht anhalten ist das Motto. Gefühlt ging es bestimmt 45° bergauf. Danach genießen wir den besten Fischtopf mit Garnelen in Reibeirão da Ilha. Vor unserer Weiterfahrt blicken wir vom Morro da Cruz noch einmal auf die Stadt.

Das Vale Europeu im Itajaí-Tal in Santa Catarina ist geprägt durch die deutschen, italienischen, österreichischen, polnischen und portugiesischen Siedler. Am bekanntesten ist Blumenau durch das größte Oktoberfest außerhalb Deutschlands. Die deutsche Kultur zeigt sich insbesondere an den jahrhundertealten Fachwerkhäusern. Blumenau hebt sich ebenfalls durch die vielen Brauereien hervor, die dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 folgen, so auch die Brauerei Eisenbahn. Und außerdem ist der Gründer Dr. Hermann Blumenau in Hasselfelde im Harz geboren und in unserer Heimatstadt Braunschweig zur Schule gegangen.

Im nur einige Kilometer entfernten Pomerode gibt es über 300 Fachwerkhäuser, so dass die Stadtverwaltung sich dazu entschloss, den Titel der größten Stadtgemeinde mit dieser Bauart außerhalb Deutschlands zu beanspruchen. Ein Restaurant heißt Schröder, es gibt Eisbein zum Essen. Und auch hier gibt es wieder viele kleine Brauereien mit deutschen Namen wie z. B. Schornstein. Nach Pomerode sind vor über 150 Jahren viele Deutsche ausgewandert. Der Anfang war jedoch schwer. Sie wussten nicht, was sie erwartet. Sie hatten keine Ahnung von wilden Tieren und Krankheiten. Die Ureinwohner verteidigten ihr Land gegen die Eindringlinge. Sie mussten den Urwald roden, um ihre Holzhütten bauen zu können. Und weil die aus Pommern stammenden Deutschen viele Bäume rodeten, nannten sie ihre neue Heimat Pomerode.

Auf unserer Route kommen wir zur Partnerstadt Langenhagens nach Joinville. Ein Rundgang im Zentrum zeigt uns noch viele alte Gebäude sowie die Kathedrale. Diese Stadt ist geprägt durch europäische, vor allem deutsche Immigranten, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts in den brasilianischen Süden strömten.

Uns zieht es wieder an die Küste, um das Meer in Guaratuba zu genießen.

Samstag, 17.11 2018
In Guaratuba merken wir die Vorsaison. Viele Geschäfte und Restaurants sind noch geschlossen und es sind kaum Touristen im Ort. Unser Hotel Kaakupé liegt direkt am Strand. Auf dem Morro do Christo schauen wir auf die beiden Strände Praia das Pedras und Praia Brava do Guaratuba. Ein paar Kilometer weiter nehmen wir die Autofähre Richtung Pontal do Sul.

In Curitiba erwartet uns der Serra Verde Express, den wir schon von Deutschland aus gebucht haben. Allerdings wussten wir nicht, dass ausgerechnet an diesem Tag in Brasilien ein Feiertag und der Zug deshalb ausgebucht ist. Nach einigen Schwierigkeiten startet der Zug mit 2 Stunden Verspätung. Die Fahrt beginnt unspektakulär durch die Vororte von Curitiba. Doch dann beginnt eine der schönsten Zugstrecken, auf der ca. 900 Höhenmeter Richtung Meer überwunden werden müssen. Für die 75 km lange Strecke wurden 1880 bis 1885 von den Portugiesen 13 Tunnel und 41 Brücken und Viadukte konstruiert. Schon bald wird flaches Grasland durch dichteren Wald abgelöst. Wir schauen durch das geöffnete Fenster auf riesige Farne, Bananenstauden und mit Lianen besetzte Bäume. Diese Natur genießen wir mit einer Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h. Auf der linken Seite des Zuges haben wir den besten Blick auf den Abgrund und eine phänomenale Aussicht auf die Berge. Rechts befindet sich nur grauer Felsen. Nach mehr als 3 Stunden überwältigender Fahrt erreichen wir die kleine koloniale Stadt Morretes.

Mit einer Personenfähre setzen wir zur Ilha do Mel über. Die Fahrt dauert nur 30 Minuten. Die Insel besteht aus einem nördlichen und südlichen Teil, die nur durch einen schmalen Strandabschnitt verbunden sind. Auto gibt es auf der Insel keine. Wir gehen auf dem südlichen Teil bis zum Morro do Farol de Conchas durch üppige Vegetation, in die verschiedene Pousadas integriert sind. Der Ausblick vom Leuchtturm entschädigt für den anstrengenden Aufstieg bei 33 °C im Schatten.

Dienstag, 20.11.2018

Santos ist die bedeutendste Hafenstadt Lateinamerikas. Sie liegt an der Küste des brasilianischen Bundesstaates São Paulo. Die Stadt ist der Verwaltungssitz der Metropolregion Baixada Santista und ist an jedem 13. Juni des Jahres auch für einen Tag die symbolische Hauptstadt des Bundesstaates. Zudem hat Santos den offiziellen Status eines Badekurortes, einer Estância Balneária. Knapp 40 km² der Stadt, inklusive des Stadtzentrums, liegen auf der Insel São Vicente. Im Hafen von Santos werden 40 % der gesamten Güter verschifft. Der Export von Kaffee hat die Stadt groß gemacht. Am bekanntesten wurde sie aber dadurch, dass sie den zweifachen Fußball-Vereinsweltpokalsieger FC Santos beherbergt, den Heimatverein des Weltstars Pelé .

Santos hat einen sieben Kilometer langen Strand, der von wunderschönen Gärten abgetrennt wird. Sie sind weltweit die größten ihrer Art. Santos und vor allem die Orte in dessen Nähe sind beliebte Wochenendziele der "Paulistas", der Einwohner von São Paulo, das nur 60  km entfernt ist.

Dann liegt eine große Etappe vor uns, zwar nur 450 km bis nach Paraty, aber die haben es in sich. Als erstes stehen wir in der Schlange an der Fähre nach Guarujá. Für so eine moderne Hafenstadt wäre es an der Zeit, eine schnellere Möglichkeit zu schaffen, um die Hafeneinfahrt zu überbrücken. Eigentlich wollten wir am Strand entlang fahren, allerdings haben wir schon viel Zeit verloren, so dass wir doch lieber die Bundesstraße BR 101 nehmen. In Bertioga kommen wir an den Strand und der Verkehr ist eine Katastrophe. Am Brückentag ist ganz Brasilien am Strand, und irgendwann wollen alle wieder nach Hause. Es staut sich fast überall und wir sind für die 450 km 8 Stunden unterwegs und kommen gerade so noch im Hellen an unserer Unterkunft Carpe Diem in Paraty an. Die Kleinstadt Paraty liegt ziemlich genau in der Mitte zwischen São Paulo und Rio de Janeiro und besitzt eine denkmalgeschützte Altstadt. Wir wohnen außerhalb des Ortskerns, da dieser autofrei ist. Durch die Kopfsteinpflasterstraßen fühlen wir uns wie auf einer Zeitreise ins 17. Jahrhundert, aus dem die meisten Häuser der Stadt stammen. Sie sind weiß gestrichen und sorgen mit bunten Fenster und Türrahmen für farbenfrohe Hingucker. Das Kopfsteinpflaster wurde seinerzeit von den Sklaven verlegt und wird heute nur noch von Pferdekutschen befahren. In vielen Häusern haben sich kleine Souvenirgeschäfte und Restaurants angesiedelt. Im Atelier Aracati sind wir fasziniert von den Ketten mit ihren Anhängern, die Marcelo aus alten Münzen mit einer Stichsäge bearbeitet. Da ich mich nicht entscheiden konnte, musste ich gleich zwei kaufen.

Freitag, 23.11.2018

Unsere letzte Etappe heißt Rio de Janeiro. Die ersten zwei Nächte bleiben wir an der Copacabana, um zum Abschluss unserer Reise ein wenig Strandfeeling zu genießen. Von unserem Zimmer im 22. OG haben wir den schönsten Blick auf den Strand, auf der Dachterrasse ist ein Pool. Aber es regnet und es hört auch die nächsten zwei Tage nicht auf zu regnen. Am dritten Tag sind wir schon froh, dass es nur bewölkt ist und wir mit unserem Mietauto noch in den Floresta da Tijuca fahren können. Außerdem sind wir umgezogen in den Stadtteil Santa Teresa.

Enge, kurvige Straßen, bunt bemalte Mauern und das Rattern der älteste Straßenbahn der Welt prägen den Charakter des Künstlerviertels Santa Teresa in den Bergen von Rio. Im mittleren 18. Jahrhundert wuchs das Viertel um das Santa-Teresa-Kloster, welches dem Stadtteil bis heute seinen Namen gibt. Im 19. Jahrhundert wohnte hier die Oberschicht von Rio, zu der auch ausgewanderte Europäer, darunter viele Deutsche, zählten. Auch die europäischen Botschaften siedelten sich aus diesem Grund in Santa Teresa an. Heute zählt Santa Teresa nicht mehr zu den gehobenen Vierteln von Rio, konnte sich jedoch seinen Charme als Künstlerviertel bewahren. Mit ein Grund für die Wahl unsere kleinen Pousada Rio Panoramic ist der fantastische Ausblick auf die Bucht von Guanabara und den Zuckerhut. Aber die Anfahrt ist abenteuerlich. Zuerst geht es über enge Serpentinen mit Kopfsteinpflaster nach oben bis wir an eine Sackgasse gelangen. Diese ist so schmal, dass nur Andreas gerade so aussteigen kann. An der Eingangspforte müssen wir die Spiegel einklappen, damit wir passieren können. Von der Villa sind wir begeistert. Sie wurde im Jahr 1920 gebaut war zunächst ein Sanatorium und wurde dann vom italienischen Botschafter genutzt. Zurzeit gehört sie einem spanischen Ehepaar. Endlich am vierten Tag sehen wir die Sonne über dem Zuckerhut aufgehen. Heute treffen wir uns mit Freunden von der Insel Paqueta, die in der Bucht von Rio liegt. Am Fähranleger erwarten wir die beiden und holen uns dann die Tickets für die Besichtigung der Ilha Fiscal. Der Name leitet sich von der seit dem 19. Jahrhundert durchgeführten Nutzung als Steuer/Zollstation ab. Heute beherbergt die unmittelbar neben dem Marinearsenal gelegene Insel ein Marinemuseum.

Im Restaurant Cais do Oriente essen wir zu Mittag. Es handelt sich um ein Herrenhaus aus dem Jahr 1878, das aus Steinen, Ziegeln und Walöl errichtet wurde und als Lagerhaus für Gewürze und Produkte aus dem Osten diente. Bevor die Beiden am späten Abend mit der Fähre auf ihre Insel zurückfahren, entführen sie uns noch in ein weiteres Stadthaus aus dem 19. Jahrhundert. Dort ist das "Trapiche Gamboa" angesiedelt, in dem die Samba de Roda (eine der authentischsten Genres der brasilianischen Musik) gelebt wird. Auch heute Abend wird live gespielt.

Den letzten Tag vor unserer Abreise verbringen wir mit Andreas' alten Schulfreund aus Vitória, der die 600 km extra mit dem Nachtbus angereist ist. Nach einem gemeinsamen Frühstück auf der Terrasse mit Blick auf den Zuckerhut machen wir uns auf dem Weg. Noch einmal fahren wir zum Aussichtspunkt und Donna Martha, den wir diesmal im strahlenden Sonnenschein erleben. Seit unserem letzten Aufenthalt vor sieben Jahren hat sich Rio unheimlich positiv verändert. Dazu haben natürlich auch die Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele beigetragen. Es gibt jetzt eine Straßenbahn mit zwei Linien, der Verkehr auf der größten Straße im Zentrum wurde beruhigt und als Fußgängerzone umgewandelt. Die Straßenbahn fährt unter anderem zum Inlandsflughafen Santos Dumont, zum Fähranleger und zu den Kreuzfahrtschiffen. Dort befindet sich auch das Museu do amanhã. Hierbei handelt es sich um ein Wissenschaftsmuseum, das von dem spanischen neofuturistischen Architekten Santiago Calatrava entworfen und neben der Uferpromenade am Pier Praça Maua errichtet wurde. Es gäbe noch viel mehr zu entdecken, aber unsere Zeit ist leider rum und wir müssen wieder nach Hause fliegen.